„Goodbye Girls“ – Das Smartphone als perfekte Kontaktbremse

Sönke Paulsen, Berlin

Handybesitzer befinden sich mit ihren Geräten oft in einer dyadischen Beziehung, welche die Umwelt außen vor lässt. Die Körpersprache, Mimik und Gestik verraten viel über diesen symbiotischen Zustand.

Haben Sie es schon einmal erlebt, dass jemand mitten im Gespräch mit Ihnen sein Handy zückt und darauf herumtippt? Willkommen im Club, die meisten haben so etwas schon mal erlebt. Die Aussage eines solchen Verhaltens dürfte sein, dass das Gespräch beendet ist. Ihr Gegenüber kehrt in die virtuelle Welt zurück, weil er oder sie an Ihnen kein Interesse mehr hat.

Das Smartphone ist längst zur Konkurrenz für die natürliche Kommunikation mittels Sprache und Gestik geworden, aber das menschliche Kontaktverhalten lässt sich nicht ganz ausschalten. Körpersprache, Mimik und Gestik finden auch dann statt, wenn jemand scheinbar in seinen Touchscreen vertieft ist.

Die Welt ist nur noch peripher

In Bahn und Bus sieht man inzwischen „Jung und Alt“ mit gesenktem Kopf und einem Handy in der Hand. Ein deutliches Zeichen, dass man sich gegenseitig ignorieren möchte. Im peripheren Blickfeld findet aber die reale Welt noch statt. Jemand möchte sich neben einen Handybesitzer setzen, der dann bemüht ist, alles automatisch abzuwickeln. Vom leichten Wegrutschen, über die Tasche vom Sitz nehmen bis zum kurzen Aufstehen, um dem Zugestiegenen Platz zu machen. Was in der Regel nicht stattfindet, ist eine direkte Kontaktaufnahme, schon gar kein Blickkontakt. Die Augen bleiben auf das elektronische Gerät gerichtet. Damit wird das Gegenüber erfolgreich ignoriert.

Ignoranz ist überhaupt eines der hervorstechenden Merkmale in der Kommunikation der Smartphone-Abhängigen. Sie wollen mit realen Menschen möglichst wenig zu tun haben und fühlen sich von der Welt eher gestört.

Frauen nutzen Handy als Kontaktbremse

Vor allem Frauen greifen gern zu dieser Methode, sich die reale Welt vom Leib zu halten und nur Kontakte zu akzeptieren, die medial in irgendeiner Form verabredet sind, sei es durch Social Media, Dating Apps oder WhatsApp. Kontakte, die unmittelbar im Alltag entstehen, sind dagegen suspekt.

Damit es nicht zu dumpf und beschränkt wirkt, wenn „sie“ permanent auf den Screen glotzt, haben Frauen ein kleines Verhaltensrepertoire entwickelt, dass dem Rest der Welt zeigen soll, wie gemütvoll sie doch eigentlich sind, hinter einem überwiegend normierten und ausdruckslosen Schminkgesicht.

Häufig verwendet: „In das eigene Smartphone lächeln.“

Diese Taktik wird vor allem dann angewendet, wenn Frauen sich beobachtet fühlen. Das Signal besteht darin, einen Flirtkontakt oder sonst positiven Kontakt über das Smartphone zu behaupten, um Personen im realen Umfeld abzuschrecken, dabei aber gleichzeitig Attraktivität zu signalisieren.

Manchmal ist man erstaunt, was dann tatsächlich auf dem Screen stattfindet. Oft gar keine Kommunikation, sondern nur ein Anlächeln des Desktops, eines geöffneten Facebook-Accounts oder schlicht des eigenen Spiegelbildes auf der geöffneten Rückkamera. Lauter Dinge, die vollkommen ohne jede Bedeutung sind und nur zum Schutz der Dyade zwischen Smartphone und seiner Besitzerin dienen. Zum Vergleich und als Gegenprobe findet man dieses Verhalten bei lesenden Frauen, die ein Buch in der Hand haben, überhaupt nicht. Es ist also ein narzisstisch getöntes Signal nach außen.

Männer sind in dieser Beziehung oft nicht so eitel. Ihre Außenwirkung scheint ihnen beim Spielen von Videospielen auf ihrem Handy relativ egal zu sein. Sie legen keinen Wert darauf, irgendwelche Kontakte vorzuspiegeln, die gerade gar nicht existieren.

Verachtung der Welt, wie sie ist

Gemeinsam ist Männern und Frauen mit Handyabhängigkeit allerdings die Verachtung der Welt, wie sie ist. Man sieht sie in der Regel mit gesenktem Blick über die Ampel gehen, so als wüsste das Handy besser, ob gerade grün oder rot ist.

Auch ist die Körpersprache relativ eindeutig, wenn junge Menschen, hier auch wieder in der Mehrheit Frauen, beim Gang durch die Stadt ihr Smartphone mit ausgestrecktem Arm vor sich her führen. Das soll ausdrücken, dass sie einen kompetenten Partner haben, der den Weg kennt und vor ihnen her geht, damit sie sich nicht verlaufen können. Psychodynamisch wohl die Abwehr weiblicher Unsicherheit mittels Internet. Denn diese Körpersprache wird natürlich möglich durch Google Maps.

Süß anzusehen ist manchmal, wenn junge Frauen an einer Kreuzung stehen bleiben und darüber grübeln, wie wohl die Karte auf die Wirklichkeit passt. Das kann manchmal ziemlich lange dauern. In Bezug auf die Außenwirkung der Person ist das eigentlich der Ausdruck perfekter Hilflosigkeit in der realen Welt.

Wenn sich fremde Personen nähern, ziehen sie ihr Smartphone ganz nah an den Körper und starren besonders intensiv auf den Bildschirm, den sie nicht richtig verstehen. Zumindest ist dann die Abwehr von möglichen Kontakten sichergestellt.

Airpods als Mittel der totalen Vertaubung

Das Repertoire an Methoden, die Umwelt aus der eigenen Wahrnehmung auszuschließen ist natürlich noch nicht komplett, wenn man die Ohrhörer auslässt. Die sind äußerst wichtig.

Als neuere Entwicklung bieten Airpods einen unauffälligen Schutz vor Umweltgeräuschen bis hin zur totalen Vertaubung. Die Airpodträger*innen sind, medizinisch ausgedrückt, nicht mehr ansprechbar. Insbesondere, aber nicht nur, wenn Musik gehört wird. Sie können sich beruhigt einem Airpod-Ohr nähern und irgendetwas Unanständiges sagen. Es wird nicht gehört. Diese Leute sind so gut wie taub. Die Unfallstatistik, verursacht durch Airpodvertaubung, steht noch aus.

Oft sieht man die kleinen Dinger von außen gar nicht. Aber hier hilft wieder die Körpersprache. Besonders ständiges Wippen mit einem Fuß oder rhythmisches Fingertippen sind Hinweise, dass die Person, auch hier oft Frauen, sinnesmäßig nicht mehr da ist.

Wir sehen also, dass die Smartphone-Symbiose den Träger*innen nur noch einen ganz peripheren Kontakt zur Umwelt erlaubt und das ist wohl auch so gewollt.

„Goodbye Girls….“

Wer weitere Beobachtung hat, soll diese gern in der Kommentarspalte hinterlassen. Dieser Artikel könnte dabei noch erheblich wachsen!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert