Tretrollerfahren ist nur für Kinder – mein Rollerkomplex

Sönke Paulsen, Berlin

Ich erinnere mich noch gern an den ersten Augenblick der Freiheit, den ich als Fünfjähriger auf meinem Tretroller genossen habe. Es war grandios, bei schönem Wetter auf dem blauen Roller zum Kindergarten zu fahren. Nur, was mich damals schon störte, waren die Radfahrer, die mich ständig überholten, teils mit wütendem Geklingel, teils sogar mit lauten Flüchen.

Inzwischen sind die Tretroller schneller geworden, aber die Radfahrer überholen mich noch immer. Ein Ärgernis, das ich dringend abstellen möchte. Ich brauche einen schnellen Tretroller der mich auf Augenhöhe zu den Stramplern bringt. Natürlich ohne Motor, das wäre unsportlich.

Zunächst mal, damit alle Radfahrer gewarnt sind. Ich schmähe die Radfahrer mit ihrer gebeugten und hechelnden Körperhaltung. Ich bemitleide sie, wie sie sich ihr Gemäch am Sattel einklemmen und ihnen Rücken und Gesäß nach einiger Zeit wehtun. Ich habe sogar einmal gehört, dass Radfahren impotent machen soll. Das einzige, was sie vom Radfahren bekommen, sind durchtrainierte Beine. Das muss ich einräumen. Ansonsten sind Radler für mich ein Bild des Jammers!

Wie aufrecht und frei ist man dagegen auf dem Roller. Man rollt und rollt, stößt sich vom Boden ab, rollt wieder eine Zeit und genießt den mühelos erlangten Fahrtwind. Man schaut in die Landschaft und freut sich des Lebens. Der Rücken wird geschont, das Gesäß ebenfalls und das wechselseitige Beinheben führt zu einer verbesserten Potenz. Wie schön könnte Rollerfahren sein, wenn man nicht ständig Radfahrer hinter sich hätte, die sich vorbeidrängeln oder laut ankündigen, dass sie vorbei wollen, weil sie eben schneller sind.

Muss das sein? Ich fürchte ja. Denn Fahrräder sind nun mal schneller als Tretroller. Deutlich schneller sogar. Denn wenn ich mit meinem Roller bei leichtem Treten mit etwa 15 km/h unterwegs bin, sind Fahrräder mit gleichem Aufwand mindestens 10 km/h schneller. Ich müsste mich schwer verausgaben, um da mitzuhalten.

Also habe ich mir einen ersten Rennroller gekauft. Ein Sportgerät für 400 Euro, das nur 7,5kg wiegt und vorn mit einem 26 Zoll Reifen ausgestattet ist, hinten mit einem 20 Zoll Reifen. Er fährt sich toll! Die Beschleunigung ist mühelos, aber auch nur bis 15 km/h und dann fängt die Arbeit an. Damit ich auf 25 km/h komme, muss ich schnell und kräftig treten. Viel mehr, als jeder Fahrradfahrer. Kurz, das schicke Gerät zieht zwar viele Blicke auf sich und verströmt eine angenehme sportliche Note, aber im Grunde wehrt es sich gegen Geschwindigkeiten oberhalb von 15 km/h und das auf ebener Straße. Also habe ich einen Roller mit 28 Zoll vorn und 20 Zoll hinten ausprobiert. Er ist etwas schneller, in der Tat. Mühelos kann ich damit etwa 17km/h fahren und hänge damit sonntags auf dem Tempelhofer Flughafen, meiner Trainingsstrecke, immerhin die Rollerskates ab, nicht aber die Fahrräder, die immer noch an mir vorbeiziehen.

Ich suche derzeit nach einer besseren Lösung, stelle aber fest, dass sogar der beste Rennroller mit 28 Zoll vorn und hinten einen erheblichen Kraftaufwand von mir fordert, wenn ich die 20 km/h-Schwelle durchbrechen möchte. Normale Fahrräder sind immer noch 5 km/h schneller und das ganz locker!

Eine härtere Gummimischung der Reifen und höhere Drücke von 2-3 bar bringen schon etwas und sind auch bezüglich der Federung vertretbar. Dennoch bleibt 20 km/h die Marke an der Kraftaufwand erforderlich ist, um sie zu knacken. Das macht man nicht lange mit, ohne sich auf die Dauer zu verausgaben.

Ich frage mich also ganz ehrlich, ob diese Roller, so toll sie auch konstruiert sind, nicht einfach eine Rumpfgeschwindigkeit haben, wie ein Boot und von sich aus nicht schneller fahren wollen?

Ein Boot kann seine Rumpfgeschwindigkeit hinter sich lassen, wenn es sich aus dem Wasser hebt. Aber wie ist es mit einem Tretroller? Sollte der etwa schweben?

Sicher nicht. Aber die Reibung von Boden und Wind sollte so gering wie möglich sein. Ich reduziere also Gewicht, wo ich kann. Aktuell habe ich selbst schon mal ein Kilo abgenommen und eine Carbon-Gabel bestellt. Die baue ich ein und spare noch einmal ein Kilo. Mal sehen, was das bringt. Außerdem werde ich den Reifendruck noch einmal auf 4-5 bar erhöhen, was meine Rennreifen angeblich mitmachen sollen. Vermutlich werden die Schläge über das Vorderrad dann so stark, dass die Carbon-Gabel brechen wird. Aber versuchen will ich es.

Für den Luftwiderstand muss ich mir vermutlich eine Rennverkleidung ausdenken, bin mir aber nicht sicher, was ein günstiger cw-Wert bei Geschwindigkeiten unter 25 km/h bringen kann.

Ich werde mich wohl lächerlich machen!

Aber meine Aufgabe kann nicht in meiner Aufgabe bestehen. Ich habe diesen tief verwurzelten Komplex seit meiner Kindheit und so viel Wut aufgebaut, dass ich die Dominanz der Radfahrer brechen werde. Ich werde ganz locker genauso schnell werden wie sie. Schließlich ist alles eine Frage der Physik.

Nur ein heutiges Erlebnis lässt mich zweifeln. Ich rollerte gerade einen Berg hoch, als ein Radfahrer mit seinem Sohn von hinten kam. „Wollen sie etwa den ganzen Berg hochrollern,“ fragte er mich und bot gleich darauf an, mich zu schieben. Fast mühelos schob er mich mit mindestens zwanzig Sachen den Berg hoch. Der kleine strampelte mit seinem Kinderrad hinterher. Ich war baff, als wir oben ankamen und bedankte mich. Aber gleich darauf begann ich mich zu ärgern. Schon wieder hat mir ein Radfahrer seine Überlegenheit demonstriert.

Egal. Ich werde weiter rollern!

3 thoughts on “Tretrollerfahren ist nur für Kinder – mein Rollerkomplex

  1. Ich hab M. deltoideus’r Drachene da eine Lösung für dieses Problem – aber nicht für die Stadt. jeder kennt das Kating. Ein Segel in der Hand und ein Brettchen am Fuß. Anstatt des Segels reicht ein kleiner 4-eckiger Drachen. Bei Wind kommt man locker auf 50km. Habe ich mal im TV gesehen – vor mindestens 20 Jahren. Testgebiet – Schwäbische Alb. Der Mann hatte ne Plastikplane auf etwa 1 m im Quadrat. Ein deutlich kleinerer Drachen hat derartig viel Zug drauf, dass ich meinem 10jährigen Sohn festhalten musste.
    Viel Spaß beim Räderüberholen.

  2. Ich habeda eine Lösung für dieses Problem – aber nicht für die Stadt. jeder kennt das Kating. Ein Segel in der Hand und ein Brettchen am Fuß. Anstatt des Segels reicht ein kleiner 4-eckiger Drachen. Bei Wind kommt man locker auf 50km. Habe ich mal im TV gesehen – vor mindestens 20 Jahren. Testgebiet – Schwäbische Alb. Der Mann hatte ne Plastikplane auf etwa 1 m im Quadrat. Ein deutlich kleinerer Drachen hat derartig viel Zug drauf, dass ich meinem 10jährigen Sohn festhalten musste.
    Viel Spaß beim Räderüberholen.

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