Sönke Paulsen, Berlin
Wie Macron sich durch seine Präsidentschaft stümpert.
Man kann die Franzosen durchaus kritisch sehen. Ihre hartnäckige Weigerung eine Rentenreform zu akzeptieren, hat Tradition. Der Coup des französischen Präsidenten allerdings, die Rentenreform am Parlament vorbei durchzusetzen, trägt absolutistische Merkmale.
So lange sind die Aufstände der „Gelbwesten“ noch nicht her. Wenn man ehrlich ist, wurden sie nicht durch das harte Vorgehen des französischen Sicherheitsapparates gegen die Demonstranten beendet, sondern vor allem durch die Pandemie. Entzündet hat sich die Bewegung der „Gilets Jaunes“ an den erhöhten Steuern auf Benzinpreise. Aber zu dem Zeitpunkt gab es auch schon eine Tradition der Proteste gegen die französischen Präsidenten, die auch seine Vorgänger zu spüren bekommen hatten.
Jetzt jedenfalls kommt alles zurück, was durch die Pandemie pausieren musste. Die Gewerkschaften, die Gilets Jaunes und der schwarze Block, der Paris mal wieder in Brand legen will.
Wir mögen den Kopf schütteln über die Franzosen, die ihr unübersichtliches Rentensystem behalten möchten. Es handelt sich genau genommen um mehrere Dutzende Rentensysteme, in denen es Privilegierte und weniger Privilegiert gibt. Für viele dieser Systeme zeichnet die französische Gewerkschaft CGT verantwortlich. Eigentlich ein Verein zur Erhaltung der Privilegien einiger Arbeitnehmer gegenüber anderen. Das französische Rentensystem ist alles andere als gerecht und solidarisch.
Seltsamerweise gelingt es dem Präsidenten auch im dritten Anlauf nicht, die sozialen Schiefstände zu benennen, die eben auch zum gewachsenen französischen Rentensystem gehören. Die Altersarmut in Frankreich ist erheblich und trifft auch Menschen, die fünfzig Jahre lang brav gearbeitet haben. Wenn sie in der falschen Rentenkasse waren, den falschen Beruf hatten oder gar als brave Arbeiter Marken gesammelt haben, sind viele von ihnen im Alter unter die Armutsgrenze gerutscht.
Frankreich wird immer wieder als Meritokratie bezeichnet. Es gibt Begünstigte des Systems und solche, die keine Chance haben und genauso hält es Macron mit seiner Rentenreform. Statt für ein soziales und solidarisches gemeinsames System zu werben, hat er sich darauf verlegt, das derzeitige uneinheitliche System mit mehr Geld voll zu pumpen, was der Zweck der Erhöhung des Renteneintrittsalters um zwei Jahre ist. Eine Finanzspritze für die Rentenkassen.
Am Ende passen die Meritokratie, das absolutistische Verhalten des Präsidenten, die Armut und die Reformunfähigkeit der Franzosen zum Vorabend der französischen Revolution.
Die Guillotine wird in den französischen Protestbewegungen schon seit Längerem besungen. Das Trauma der zentralistischen Mächtigen in Paris!