Stirb in einer anderen Sekunde

Der neue Bond könnte durchaus ein Farbiger sein. Auf den Inhalt kommt es an! (Photo: by Muhammad-Taha Ibrahim)

Sönke Paulsen, Berlin

Der James-Bond Nimbus wackelt. Ich wäre in meiner Jugend niemals auf die Idee gekommen den MI6-Agenten als impulshaft und aggressiv zu bezeichnen. Nach Daniel Craig als vierfacher Bond gehört Impulsivität aber zu den typischen Bond-Eigenschaften. Craig, der als 007 ganze Häuserblöcke in die Luft sprengen durfte, ist dabei durchaus zeitgemäß. Welcher Action-Held kommt heute ohne diese hazardous attitiude aus, in der Entscheidungen aus dem Bauch heraus im Bruchteil von Sekunden getroffen und umgesetzt werden. Egal, wer sterben muss, welche Gebäude pulversiert werden, muß man das als heutigen Action-Standard verstehen. Weniger scheint die Zuschauer zu langweilen.

Die Schnelllebigkeit rechtfertigt meine Überschrift die auf Tod und Verderben im Sekundentakt hinweist und kaum noch zu steigern ist. Bei Verfolgungsjagden hatte man früher bei Sean Connery, Roger Moore und Pierce Brosnan noch so ein Zucken im Gesicht wahrgenommen, bevor der waghalsige Sprung vom Häuserdach gelang, so einen Augenblick der Überlegung. Bei Craig sah man das kaum noch und bei heutigen Actionhelden ist das Zucken komplett verschwunden.

Ein Zugeständnis an die Welt der Videospiele, wo wild drauf los geballert wird und jeder Sprung möglich ist? Schnelligkeit statt Verstand, ungebremste Aggressivität statt Vernunft gepaart mit Gewaltkompetenz, wie in den frühen Bond-Filmen? Es sieht ganz so aus!

Der nächste Bond wird vermutlich legendär kurze Reaktionszeiten bekommen und Reflexe, die an das asiatische Kung-Fu-Kino erinnern. Deshalb wird der nächste 007 wohl ein sehr junger Chinese oder Afrikaner werden müssen, damit er annähernd mit der Rechengeschwindigkeit moderner Computer auf den Screens der Videospielwelt mithalten kann. Das deutete sich bei Craig schon an, wird aber mittlerweile zur Grundbedingung.

Noch etwas anderes hat sich verändert. Die Skrupellosigkeit und der Killerinstinkt von Bond und Co sind deutlich extremer geworden. Wo früher nur Gängsterbosse impulsiv losballerten, haben wir heute auch die so genannten „Guten“, die nicht mehr lange fackeln.

Fast denkt man in dieser brutalisierten Welt an reale Personen, wie Wladimir Putin und Donald Trump, welche die Welt vollkommen ohne jede überflüssige moralische Regung und teilweise auch mit einer hohen Impulshaftigkeit regieren. Der moralische Abbau, der da stattfindet ist täglich mit Händen zu greifen, wenn Tausende auf den Schlachtfeldern der Ukraine ihr Leben verlieren, wenn in Russland das Leben eines Mannes zwischen fünfzig und einhunderttausend Euro wert ist, wenn Frauen dort Soldaten heiraten, um nach ihrem Tod die Abfindung zu kassieren. Aber auch, wenn Donald Trump mit seinem impulsiven Politikstil ganze Branchen in Not bringt, Länder in den Abgrund treibt und die zivilisierte westliche Welt scheinbar von ihren moralischen Prinzipien abbringt und die EU immer mehr in eratische Beschlüsse, Ankündigungen und nicht einlösbare Versprechungen treibt. All das ist die heutige Zeit, in der etwas entscheidendes verloren gegangen ist:

Die Contenance, die Einhaltung moralischer Codizes. Eigentlich das, was uns zu Menschen macht.

Der Kampf aller gegen aller in den Zeiten des Hyperwettbewerbes, des libertären Individualismus in Zeiten der Bevölkerungsesplosion und großer Migrationsbewegungen, ist das Unberechenbare, was Angst macht und was auch in Action-Filmen a la James Bond kritisch aufgegriffen werden muss. Also weniger impulsive Affen in Kapuzen-Hoodies und mehr Helden, die denken und nicht nur ballern und klettern können.

Der nächste Bond könnte durchaus ein Farbiger sein, nichts dagegen. Aber auf den Inhalt kommt es an. „Stirb in einer anderen Sekunde“ haben wir jetzt wirklich genug gesehen!

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