Sönke Paulsen, Berlin
Gibt es eine Krise des Action-Films?
Vielleicht ist die Frage falsch gestellt, aber ich komme an der Feststellung nicht vorbei, dass wir nicht nur seit Jahren auf den neuen Bond-Film warten, sondern auch auf „Mission Impossible 8“ (Gottseidank endlich erschienen) und „Fast and Furious 11“. Schon die Vorgänger Versionen erlitten deutliche Verzögerungen wie der letzte Bond Film, der deutlich später in die Kinos kam, als angekündigt. Dabei hatten alle drei Klassiker des Action-Kinos dasselbe Problem: „Money“. Die Filme wurden immer teurer und der Profit schmolz dahin. Ein Grund, dass wir warten gelassen werden?
Es tut mir leid, aber ich sehe noch viel mehr Krisenhaftes im guten alten Action-Kino. Beim letzten Bond Film wurde Daniel Craig (einfach zu alt geworden) heldenhaft geopfert, aber wir wissen heute noch nicht, wer sein Nachfolger wird. Bleibt sein Posten etwa vakant?
Bei Mi-7 wurde eigentlich gar kein Ende gefunden und Tom Cruise segelte mit einem Schirm in Richtung eines gesunkenen U-Bootes und der Zuschauer musste die häufige Formel akzeptieren, die im Action-Kino eigentlich nicht erlaubt ist: „Fortsetzung folgt“.
Ähnlich ging es bei dem Stunt-überfrachteten Fast and Furious 10, bei dem so ziemlich alles offen gelassen wurde und man noch nicht einmal weiß ob Held und „Sohn“ so nennt Vin Diesel seinen Filmspössling, die kurz bevor stehende Sprengung eines Staudammes überhaupt überleben werden.
Die Aussagen zusammengefasst bedeutet dies: „Ich bin tot, ich weiß nicht wohin mich der Wind weht und ich weiß nicht, wie es weitergeht, vielleicht sterbe ich doch noch. Irgendwie ist das charakterschwach!
Das ist Entschlusslosigkeit und Selbstverneinung, die ich bei unseren Action-Helden nicht haben möchte. Wirklich nicht!
Wie kommt es. Sind sie alle nicht nur in die Jahre, sondern auch in die Krise gekommen?
Es ist schade. Tom Cruise z.B. hat eine deutlich bessere Ausstrahlung, jetzt, wo er älter ist und sogar Vin Diesel bekommt etwas Erwachsenes, wirkt zumindest nicht mehr so kindisch. Alle denken sie ans Aufhören?
Jetzt wo es richtig gut werden könnte, wo Persönlichkeiten geschaffen wurden, über Jahrzehnte, mit denen ich mich langsam identifizieren kann, zieht die allgemeine Unlust ihre unheilvollen Register?
Ich hoffe doch nicht!
Ein Grund für diese Krise könnte sein, dass Helden wie Ethan Hunt und Dominic Toretto moralisch zu sehr dem Guten verhaftet sind und eigentlich keine echten Persönlichkeiten ergeben. James Bond unter Daniel Craig war da schon etwas komplexer und hatte ausgesprochen zynische und bösartige Züge. Vielleicht ist die Menschheit zu schlecht geworden, vielleicht ist aber auch die Menschenverbesserung in moralischer Hinsicht zu offensichtlich gescheitert, so dass die guten Helden jetzt keine Lust mehr haben?
Eigentlich sind das kindische Gedanken. Aber der Mensch ist natürlich zwiespältig veranlagt und bewegt sich üblicherweise in inneren Konflikten auf der Zeitskala vorwärts. Wenn innere Krisen und äußere Action aufeinandertreffen, dann können Actionhelden richtig gut werden. Ich denke da an „The Mule“ ein Alterswerk von Clint Eastwood oder an „The Limey“ mit Peter Fonda. Nur das sind heute eben eher Antihelden, wenn auch von höchster Qualität.
Man muss jedenfalls sagen, dass die böseren Helden wie Jason Stattham irgendwie besser dabei sind. Er hat übrigens die letzten Fast and Fusious Filme deutlich aufgewertet. Sein Kern-Metier ist aber der Anti-Held oder besser der zweifelhaft beseelte Videospiel-Shooter. Das ist der neue Trend, ganz ohne Zweifel.
Man muss eben einfach gnadenlos rumballern können, um heute noch auf der Action-Leinwand erfolgreich zu sein. Zu viele Skrupel und die vorgeschobenen Beziehungsallüren des Perfektionisten, Tom Cruise, sind da eher ein Handycap, genauso geht es Vin Diesel mit seiner kitschigen „la Familia“: Das Gutsein wird immer viel zu schnell seicht und dann fehlt nun mal das Echte, die menschliche Tiefe.
Ich will nicht den Stab über diese Filmhelden brechen. Sie halten das Metiér schließlich aufrecht und verdienen dafür äußersten Respekt. Aber ich schaue mir eben lieber die eingefrorenen inneren Konflikte von älteren Männern an, die hinter einem Pokerface vorluken, als die durch und durch positiven Weltenretter, wie Tom Cruise (der seine dunkle Seite aus seinen Filmen heraushält, obwohl er die zweifelsohne hat). Für Action braucht es vor allem die innere Spannung der Acteure, die alles andere als moralisch integer sind und dennoch diese Menschlichkeit ausstrahlen, welche die künstliche Intelligenz niemals erfassen kann.
Es ist schon Schade.
Der Computer hat alle im Griff
Die modernen Actionhelden sind Egoshooter oder aber hyperintelligente Teamplayer. Der Computer hat sie alle im Griff!
Wann bitte kommt der nächste Mensch, der auf Grund seines besonderen Innenlebens und seines unbeugsamen Charakters die Welt rettet?
Vielleicht ein Grund, dass immernoch kein neuer Bond gefunden wurde? Es gibt diese Typen vielleicht nicht mehr? Ist der Stunt wichtiger als der Held? Der Computer der eigentliche Held des modernen Action-Kinos? Jedenfalls sieht man inzwischen vielen Stunts ihre Künstlichkeit an, auch wenn Tom Cruise hier positiv heraussticht, weil seine Stunts menschlich wirken. Auch er wird vom Computer bestimmt. Zu irgendeinem Rechner muss er immer klettern, in irgendeinen PC muss er eindringen, um Erfolg zu haben. Ohne seinen Kumpel Benji hätte er keine Chance, gegen die künstliche Intelligenz.
Moderne Action Helden müssen also mit Computern gegen Computer kämpfen und verlieren dadurch langsam ihren Charakter. Sie wirken zunehmend glatt und ihre Stunts kommen virtuell daher, bzw, es wird immer schwieriger für Ethan Hunt, dagegen zu halten.
Am Ende kämpfen Computer gegen Computer. So wie zu Zeit ganz real, auf den ukrainischen Schlachtfeldern Drohnen kämpfen. Aber wer will einen blöden PC oder eine dumme Drohne als Action-Held sehen?
Ich nicht!
Ich warte auf den nächsten Bond. Noch habe ich Hoffnung!